1935-05-27
Postkarte aus Brüssel 27. 5. 1935
Von: Alice Kossmann R. H. Stijns 2 Bruxelles
An: Mme J. Kossmann chez Emil Marx Gross-Gerau Hessen Allemagne.
Französischer Text:
Liebe Mutter! Deine Karte wohl erhalten (recu), ich weiß nicht, was deine Schweigsamkeit mir sagen sollte. Ich hätte dir auch gern schon früher geschrieben, nur wir haben in der Fabrik viel zu tun. Infolge der Ausstellung und dem Sonntag seit dem man schreiben will, fehlt bisweilen eine Karte, (erwartet man einen Kartengruß) auch wenn man meint? und vor allem, wenn nichts eigentlich Neues zu berichten ist. Du schreibst, dass es so angenehm ist, eine Person um sich zu haben, und das ist sicherlich wahr (vraie), aber trifft man irgendjemand daraufhin an der Tür.
Es ist recht glücklich für Ab. Sommerfeld, dass er gegangen ist; denn in diesem Alter hat das Leben keinen Reiz mehr.
Du fragst, ob Maurice mehr verdient; nein, man muss zufrieden sein, einen Arbeits-Platz zu haben, weil sich dieser immer schlechter finden lässt. Wenn du wüßtest, was man sich wagt, gegenwärtig einer Person in diesem Moment anzubieten, dann ist dies ein Hungerlohn, und was kann hier die Berufung auf das Arbeitsgesetz; man glaubt, dass es die Hauptsache ist (das Wesentliche ist) ist, wenn nur jedermann einen Arbeitsplatz hat. weißt du, man (vermöchte) kann mehr (?).
Jetzt , falls du nicht mehr die Pension von Yvonne beeinflussen kannst, da brauchst du ihr auch nicht mehr zu schreiben, wenigstens nach den Ferien; sie wird nicht mehr weitermachen (fortfahren) und ich werde versuchen, ihr einen anderen Job (métier) anzubieten, und sei es auch nur die Kantine (cantine?) das ist wenigsten noch das beste. Neuigkeiten von Dir erwartend, umarme ich Dich (schließe Dich in meine Arme) Alice.
(Anmerkung: eine Postkarte ihrer Tochter Alice aus Brüssel an Frau Kossmann im Sandböhl GG, in der u. a. erwähnt wird, dass deren Tochter Yvonne, eine Enkelin von Frau Kossmann, eine Pension in Brüssel nicht weiter betreiben wird.)