05-06-1938

Firmenbriefkopf Nr. 89 Gross-Gerau, den 6. Mai 1938

Lieber Martin

Dein Bf. Nr. 88 traf gestern ein und sollst du nicht lange auf Antwort warten. Ich freue mich mit jeder Nachricht von dir, wenn sie auch noch so kurz ist wie die letzte. Wir sind G.(ott)s.(ei)D.(ank) auch all gesund.

Tante Hilda war diese Woche in Mainz, kommt morgen zurück und geht nächste Woche einige Tage nach Frankfurt und wird Ende nächster Woche wieder hier sein, von wo sie dann übernächste Woche nach Hause geht, da sie die Mainzer von Hamburg auf der Rückreise über Berlin-Bernburg besuchen wollen.

Am 13ten fahren die Mainzer per Auto nach Hamburg, um sich von denselben zu verabschieden, da diese am 18. V. abreisen.

Heini Hirsch war am 4. in Stuttgart und will am 18. schon mit seinen Schwiegereltern abreisen; der wird sich wohl umsehen wie sich noch kein zweiter umgesehen hat. Vielleicht lernt er drüben das Arbeiten.

Seine Frau mit Kind und Mutter haben sich möbliert einlogiert und ihre ganzen Möbel verkauft. Dies sind die Folgen, wenn die Menschen nicht rechnen und sparen können.

Du schriebst, dass (sich) Bruno Hirsch ein Geschäft im Negerviertel angefangen hätte. Wäre das nichts für dich, dorten was anzufangen? Evtl. eine Filiale von Max Herz? Was meinst du? Ich kann dies ja nicht beurteilen; auf jeden Fall würde (ich) mal mit Max Herz sprechen.

Letzte Woche sandte dir eine Drucksache, worin du die neuen Verordnungen gelesen haben wirst.

Familie Kaufmann lassen dich grüssen und vergiss dieselben ebenfalls nicht zu grüssen, denn ihre Jungens tun dies mit jedem Brief für uns.

Bei uns war es die ganze Zeit noch sehr kalt und ist das meiste Obst erfroren; seit gestern ist es wärmer, und ist Hede heute Mittag schon in den Wald gefahren und nach Maiblumen zu suchen. Jetzt kommen auch die ersten Spargel. Schreibe mal, was dir die Gutmanns Kinder mitbringen sollen von Zahnpaste und sonstigen Kleinigkeiten.

Sei herzl. geküsst von d. Vater

Briefkopf: Herzl. Grüsse alles ist bei uns mobil Joh. Kossmann.

No. 89 Gross-Gerau, May 6th, 1938

Dear Martin,

We received your letter No 88 yesterday, so you should not have to wait long for a reply. I am always glad to hear from you, even if it is just a few lines like the last time. We are, thank God, all healthy.

Aunt Hilda was in Mainz this week, returns tomorrow, then goes to Frankfurt for a few days next week and then return here at the end of the week, and then she will go home, because she wants to see the Mainzer from Hamburg, on their return trip via Berlin-Bemburg.

The Mainzer are going to drive to Hamburg on the 13th, because they want to say farewell to them since they will leave on May 18.

Heini Hirsch was in Stuttgart on the 4th and wants to leave with his in-laws already on the 18th. He will look around like nobody before him. Perhaps over there he will learn how to work, too.

His wife with the child rented a furnished place and sold all their furniture. These are the consequences when people cannot budget and save.

You wrote that Bruno Hirsch opened a shop in the Neger district. Would not that be something for you as well? Maybe as a Max Herz branch? What do you think? I cannot judge it from here; but I would definitely talk with Max Herz.

Last week I sent you printed material from which you can read the new rulings.

The Kaufmann family send their greetings, do not forget to do the same, as their sons do this every time in their letters.

It was very cold here all this time and most of the the fruits froze; since yesterday it is warmer and Hede is gone to the forest to look for flowers. The first asparagus is coming now. Write to us what you want the Gutmann children to bring: toothpaste, other small things.

Warm greetings from your Father.

Letterhead: Warm greetings, everything is changing here, Joh, Kossmann