09-13-1937

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Firmenbriefkopf Gross-Gerau, den 13. Sept. 1937

Nr. 61

Lieber Martin! Dein Bf. Nr. 60 traf heute ein und haben wir uns mit den Bildchen sehr gefreut. Was ist das für ein Bildchen in Mutters Rahmen unten rechts? Dies konnten nicht erkennen. Heute kam auch Bf. von Julius Kahn, er ist sehr gut gereist, während seine Frau sehr stark seekrank war. Karl kam aufs Schiff zu Ihnen und war dies selbstverständlich eine grosse Freude beiderseits. Die Brettener sind gestern (Sonntag) nach Bodenheim abgereist und bleiben über Jom-Kippur und fahren Donnerstag zurück. Sie haben sich hier beide sehr wohl gefühlt, und wir haben uns alle sehr mit Ihnen gefreut. Es war doch mal eine Abwechslung für sie.

Lieber Junge, ich hab dir doch kürzlich mal geschrieben, ich möchte gerne mal Näheres über deine Beschäftigung im Geschäft hören, aber bis jetzt warte noch immer vergebens; ; du weißt doch, dass mich dies mindestens soviel interessiert wie das Wochenende; oder gar noch mehr! Hast du eigentlich Chance und Zukunft in deinem jetzigen Geschäft? Sprich doch als mal öfter mit Onkel Max über deine Zukunft. Hoffentlich kann ich im Frühjahr zu Dir kommen, und du kannst mich dann freudig überraschen. Aber wir wollen nicht allzu früh Pläne schmieden. Von Hier weiß dir heute sehr wenig zu berichten, fas(s)te gut und sei vielmals geküsst von deinem Vater.

Lieber Martin!

Die verschiedenen Bildchen haben uns sehr gefreut und finde ich, dass deine Muskeln sich besser entwickelt haben; anbei erhältst Du die Roschharchene Aufnahmen. Hoffe, dass es Dir gefällt, Ruth hat sie mit Hede´s Apparat aufgenommen. Onkel und Tante haben sich ganz gut erholt und hat es beiden gut hier gefallen und sind wir damit zufrieden; nächsten Monat soll die Sache Alfred und Albert vorkommen; die alten Leute machen sich wegen Albert Sorgen, da er so unschuldig durch seinen Vetter daran gekommen ist.

An Tante Hilda hat Vater geschrieben und erwarten Antwort.

Seit 2 Tagen haben recht kühl und bin froh, dass die grosse Hitze vorbei ist. Diesen Sommer hatten nicht zu klagen. Gestern Sonntag haben wir unseren Spaziergang (am) Niederwald seit langer Zeit wieder gemacht; hat uns beiden gut getan - 2 ½ Std. Spaziergang. Morgen ist Erev Jom kippur und hoffen dass dieser Tag gut für alle vorbei geht.

Irma bringt anbei diese Sachen mit, die anderen folgen; die Fabrik liefert langsam

Es folgen 2 Zeilen mit Artikelbezeichnungen für optische Geräte und Linsen. Onkel Salmon geht es G.s. D. eben recht gut; hoffen, dass es gut bleibt. Heute haben hier Kerb und denke immer an die Tage vor 2 Jahren; hoffen, dass alles os bleibt wie es ist. Sonst ist alles munter und gesund und denke, dass Du wohlauf bist.

Rechter Rand: Herzl. Grüsse auch an alle Bekannten Johanna Kossmann.

Im Briefkopf die Gedichtzeile: „Martin ist nicht mehr eitel, denn auf dem Bild fehlt der Scheitel.“

September 13, 1937, Gross-Gerau, Number 61

Dear Martin,

Your letter No. 60 has arrived today and made us feel very happy with the pictures. Who is on that little picture in Mother’s frame in the lower right corner? We could not tell. Today we also got a letter from Julius Kahn; he had a very good trip, while his wife was seasick the whole time. Karl came onto the ship to pick them up and of course, they were very happy about that on both sides. The Bretten folks drove to Bodenheim yesterday (Sunday) to spend Yom Kippur there and come back on Thursday. They enjoyed their stay with us a lot and we, too, were very happy with them. It was a great diversion for them. My dear boy, I have recently asked you for details about your work, and I am still waiting for them; you know how much I am interested in hearing these, at least as much as about your weekends if not more! Have you got a chance to be promoted in your work at all? You should talk to Uncle Max more often about your future. Hopefully I can come to visit you in the Spring, and then you can surprise me in a good way. But we don’t want to plan ahead too early. There is not much else to report from here; have a good fast and many kisses from your Father.

Dear Martin,

We were very happy with the pictures you had sent; I think you developed great muscles; I enclose our Rosh Hashanah pictures. Hope you like them; Ruth took them with Hede’s camera. Uncle and Aunt had a great time, they enjoyed it very much and we are all pleased about that; next month that issue with Alfred and Albert will take place; the old folks worry about Albert, who got into trouble through his cousin so innocently.

Father wrote to Aunt Hilda and is expecting her response. For the last two days it has been cool around here; we are glad the heat is over. We had no complaints this summer.

Finally we went again for a hike in the Niederwald yesterday (Sunday) after a long time; the 2.5 hour long walk suited us both. Tomorrow is Erev Yom Kippur and we hope it will pass by alright for all of us.

Irma will bring the things with her; others will follow; the factory ships slowly.

[A list of optical devices and lenses follows in the next two lines.]

Uncle Salmon is doing quite well, thank God; hope it stays so. Today there is a town fair here and makes me think of the days two years ago; hope everything will stay as is. Otherwise all is well and healthy and I think you are as well.

On the rIght side: Warm greetings to all from Johanna Kossmann.

[In the letterhead a verse:] Martin is no longer vain, for his hairdo on the picture is plain.