05-28-1939

Firmenbriefkopf Frankfurt, den 28. 5. 1939

Lieber Martin.

Dein Bf. 139 traf gestern ein und entnahm, dass euch dein Freund Justin verlassen will, aber wann er sich verbessern kann, hat er Recht. Vielleicht klappt es auch mal bei dir; aber vergiss nicht, dass man nie unreines Wasser ausschütten soll, bevor man reines hat. Von dem grossen Brand bei euch hat man hier nichts gelesen.

Betr. Cuba hört man hier, dass es vorerst gesperrt ist. Soeben sprach ich Betty Freitag und sagte sie mir, dass ihr die Hapag sagte, sie hätte diese Woche ein Telegramm bekommen, dass es vorerst gesperrt ist und weiss man nicht, wohin man soll; niemand will uns haben.

Also erkundige dich erst, damit das Geld für die Visen nicht umsonst eingezahlt wird. Salli aus Bernburg schrieb mir, ich sollte pro Person 200 Dollar seinem Vetter in Havanna bzw. an dessen Bank Chase Nationalbank Havanna überweisen, und er würde mir dann die Einreise besorgen. Sein Vetter heisst: Stephan Langgut. Er hätte schon 20 Leuten die Einreise besorgt; allerdings ist der Bf. v(om).19. IV. Erich hat dir auch vor Kurzem deine Uhr geschickt, die Nr. sei 56307 und steht immer im Deckel. Er ist jetzt schon ein Jahr in London und geht ihm dorten sehr gut.

Am Donnerstag gingen die Verwandten von Job, Schwarz und Vogel, zusammen 8 Personen, von hier weg und fuhren am Freitag mit der Europa ab Bremen; werden am 1. Juni drüben landen. Der Vater von August Schwarz hat noch 2 Tage bei uns gewohnt. Am Mittwoch d. 31. Fliegt Robert Kramer nach England. Seine Frau folgt in einigen Wochen, wann sie hier alles erledigt hat.

Heute Mittag kommen die Mainzer zu uns. Gestern abend waren bei Leopold Kahn zum Scat, was jetzt unsere Hauptbeschäftigung ist. Grüsse Bertha Herz, Susi und alle Verwandten von mir und sei du noch herzl. geküsst von deinem Vater.

Lieber Martin! Das heisst Pech! So wird ein Land nach dem andern gesperrt; wird (es) noch ein Plätzchen für uns geben? Heute der 2te Pfingsttag und waren vor Tisch bei Robert Kramer, der hatte Galgenhumor. Der Junge ist momentan zu Hause nerisch (närrisch), er kommt am 15. Nach Nieder-Ramstatt und dann macht sich Frau Kramer fertig. Bei uns vergeht die Zeit mit ziemlich Besuch durch Auswanderer; giebt es immer Ablenkung; wären wir bald auch, schreibe? Es ist schade, dass es kein(en) Ausweg giebt.

Die Mainzer denken in 3-4 Woschen fort zu kommen. Dann sind allein von der Familie. Hast du Salomon gesprochen? - Hanna und Ruth sollen in NY geblieben sein. Denke Dir! - an Deinen Vater hat Onkel noch nicht geschrieben, da sieht man, wie man ihm dankt, aber an Ida und die Nähmädchen hat er geschrieben; dies hat der alte Schwarz uns erzählt, demselben hat es gut bei uns gefallen, fühlte sich behaglich. Ich hatte einen grossen Brief von Lori, endlich kamen ihre Möbel und, sobald sie in Ordnung ist, schreibt sie an Dich; ein Zufall: Gustav Lori trafen Else auf der Strasse, so was kann einem in einer Millionenstadt passieren. Freitag abend hatten einen Gast zum Essen, Frl. Stern, die hier zu Besuch war, will auch nach Cuba, hat Billet und alles für 29. Juli gepackt(?) Sie erkundigte sich auch eingehend nach Dir, später kamen Siegfr(ied) Oppenheimer zufällig und ging das Lied von der Heimat durch; wir glaubten uns zuletzt dort; in 3 Wochen sind sie auch weg. Bei Sig. Und Rosel klappt es auch nicht.

Sicher tut es Dir leid, wenn dein Freund Justin weg ist.

Rechts Wer wird Hüttenkoch? herzl. Grüsse Johanna Jossmann

Oben: Ich wurde angefragt, welche Nummer und Farbe in Lederhandschuhen (du) gerne hast? Schweinsleder Nr. 7 ¾ ?

Dear Martin,

I received your letter 139 and saw that your friend Justin is leaving; but if he can get something better, he has the right to try to improve his life. Perhaps you, too, will find something better. But don’t forget; better a bird in the hand than two in the bush. Here we have not read anything about the great fire over there.

As to Cuba, we heard here that it is now locked. I have just spoken to Betty Freitag and she told me that she was told by the Hapag, via a telegram, that Cuba is currently not available; we don’t know where to from here: nobody wants to have us.

So, find out before you waste the money on visas. Alli from Bernburg wrote to me that I should transfer 200 dollars per person to his cousin’s bank the Bank Chase Nationalbank Havanna, and then he would get me the entry. His cousin is Stephan Langgut. Apparently, he has arranged entry for 20 people already. But this letter is from April 19. Erich has recently sent you your watch, the No is 56307. He has been one year in London and he likes it there very much.

Thursday Job’s relatives, Schwarz and Vogel, a total of 8 persons have left here, and boarded the ship Europa on Friday in Bremen. They should arrive June 1 over there. The father of August Schwarz stayed with us for 2 days. Robert Kramer will fly to England on Wednesday, the 31st. His wife will follow him in a few weeks, when she has taken care of everything here. The Mainz family comes over today. Last night we went to Leopold Kahn for Skat, which is now our main activity. Greetings to Bertha Herz and all the relatives from me and warm kisses from your father.

Dear Martin,

We have no luck! One country after the other blocked; is there still a place for us? Today is the 2nd Pentecost, and we went to see Robert Kramer who cracked a few dark jokes about the situation. Their boy is at home now, then he goes to Nieder-Ramstatt on the 15th and then Mrs Kramer will get ready.

We have a lot of emigrant visitors which is a good diversion; will it be our turn I wonder? So sad that there is no way out.

The relatives in Mainz plan to get out in 3-4 weeks. Then we are the last ones alone from the family here. Have you spoken to Salomon? Hanna and Ruth stayed in New York, I hear. Imagine. Uncle has not as of yet written to your father; you can see how ungrateful he is; but he wrote to Ida and the Naeh girls; we heard this from the old Schwarz, who liked his time with us. I got a big letter from Lori, at last she received her furniture, and she will write to you as soon as she can. What a coincidence: Gustav and Lori have met Else on the street – and such a thing can happen in a city of millions! We had a guest Friday night for dinner, Miss Stern, who was visiting here, she also wants to go to Cuba, has her ticket and everything for July 29, her things are packed. She asked about you; later Siegfried Oppenheimer came and so we talked about Gerau. It felt like home. In 3 weeks they are gone as well. Sig and Rosel are not succeeding. You must be sad that your friend Justin is gone.

Right side: who will be the cook in the cottage? Warm greetings Johanna Kossmann

On Top: I was asked what size and color of leather gloves you like: pig leather, No. 7 ¾?