04-29-1938

Firmen Briefkopf Nr. 88 Groß-Gerau, den 29. April 1938

Lieber Martin

Deinen Bf Nr. 87 erhielt gestern und habe mich mit demselben sehr gefreut, zumal du mal etwas ausführlicher schriebst, wie gewöhnlich; anscheinend hast du dir mal etwas mehr Zeit dazu genommen.

Deinem Rate, nach Frankfurt zu ziehen, möchte ich doch vorerst nicht folgen. Ich wüsste nicht, weshalb.

Ich war am Mittwoch in FfM und machte verschiedene Besuche u. a. war bei Gustav und sagte Lori, dass es z(ur) Z(eit)in GG schöner sei wie in FfM.: denn in den letzten (Tagen) seien große Boykotts; ausserdem wohne (ich) hier auch billiger; unter 140-150 M bekomme keine Wohnung und dafür kann (ich) hier bald leben. Seitdem Kauffmanns bei uns wohnen, habe keine Langeweile, wir spielen jeden Abend und nehme jetzt, wenn der Monat herum ist, noch Miete ein.

Am Mittwoch war auch bei Hilde Freund und scheint sie mir ein sehr nettes und kluges Mädel zu sein. Sie lud mich ein, sie baldigst wieder zu besuchen, da ihre Eltern an diesem Tage in Aschaffenburg waren. Ich müsste unbedingt mal mit ihren zu Tisch sein. Sie lässt dich herzl. grüssen, ebenso das Fräulein, das als bei Dr. Neurath war, die ich gestern zufällig in der Electrischen (Straßenbahn) traf; sie ist jetzt schon 1 Jahr bei der Handelskammer - seit dem Tode Neuraths.

Heute gingen die letzten Mk 10.- von Ad. Schmidt Biebrich-Wiesbaden ein, der seiner Zeit das Geld für 1 Sack Zucker unterschlug. Ich vergass noch, dass mir Frl. Freund auch die diversen Bilder eurer Hütte zeigte, die sehr schön sind und hat sie auch sehr nett von dir gesprochen. Ich werde sie gelegentlich mal wieder besuchen; habe sie auch eingeladen, uns zu besuchen.

Dass Salli bei Max Herz war, hörte auch von unsren Frankfurtern, aber was Definitives wissen sie auch noch nicht. Damit du siehst, dass wir auch im Bilde über euer Wetter sind, sende dir einliegend(es) Bild, das du ja in Natura gesehen hast.

Gestern hatte, Nachricht von Paris und heirat(h)et Margoth schon im Mai. Hast du ihnen eigentlich schon mal geschrieben? Ihre Adr(esse) ist Neuilly s/ Seine 16 rue Soyer.

Job kaufte dies Woche Rasierklingen für Salli; wenn du welche nöthig hast, oder sonst etwas so schreibe umgehend.

Max Guthmans Kinder gehen im Juni nach Chicago.

Meine Wissenschaft für heute ist zu Ende, und schicke ich dir noch recht herzl. Grüsse und küsse dein Vater.

Herzlichen Gruß und Kuß Deine Tante Hilda.

Lieber Martin!

Diesmal hatten über den ausführlichen Brief grosse Freude und soll Dir mitteilen, (dass) die Postkarte Nr. 84 nicht ankam, aber Brief 85 und 86 erhielten (wir). Hoffentlich ist der Zahn in Ordnung. Hede leidet eben am selben Übel und freut sich, dass (sie) dann eine Abwechslung hat. Vater kam zufrieden von F(rankfurt) nach Hause; da er das Frl. Freund gesprochen hat.

Das war ein Irrtum von Dir, wegen einer Ostertour, wir wollen, wenn es geht, im Sommer alle 3 irgend wohin, vielleicht gehen Onkel Max und Tante Selma mit uns; ich sagte, wenn dann Privat wohnen, uns abends selbst beköstigen; Levys fahren nach Hamburg, um die Eltern zu begleiten und wollen sehen, wo sie hingehen können; sie gehen mit dem Auto; da können (sie) überall Abstecher machen von Hamburg aus. Liest Du noch als die Frank(furter) Zeitung? Wir haben eben die Neueste F(rankfurter), da die andere zu teuer Rand rechts ist. Mit unseren Mieter(n), er ist zufrieden und sehr angenehm. Herzl. Grüsse Joh. Kossmann

Dear Martin,

I got your letter No 87 and was very happy with it; particularly because you wrote about more details than usual; apparently you took more time for it.

Currently I do not want to follow your advice to move to Frankfurt: I would not know what for.

I was in Frankfurt on Wednesday and visited various people; among others Gustav, and Lori said currently GG is nicer than Frankfurt; lately they had large boycotts; besides, living here is cheaper; I will not get a flat under 140-150 M and with that money I can almost live here. Since the Kaufmann’s moved in, I am not bored, we play every night and I get the rent from them, too, every month.

Wednesday I also visited Hilde Freund and she seems a very nice and smart girl. She invited me to visit her again as her parents were in Aschaffenburg during this time. I should have dinner with them soon. She sends her greetings. Also the young woman who used to be with Dr. Neurath. I saw her on the tram yesterday. She has been for a year at the Handelskammer [Chamber of Commerce] since Neurath’s passing.

Today the last 10 mark from Ad. Schmidt Biebrich-Wiesbaden arrived, who back then failed to pay for one sack of sugar. I forgot: Miss Freund showed me the beautiful pictures from your cottage, and she spoke of you very kindly. I will visit her occasionally and invited her too to visit us. I heard from the Frankfurt family that Salli went to see Max Herz; but we know nothing definitive. So that you can tell, we know what sort of weather you have over there: I am sending you a picture that you have seen in the nature.

Yesterday I received the news from Paris that Margoth is going to get married already in May. Have you already written to them? The adr(ess) is Neuilly s/ Seine 16 rue Soyer.

Job bought razor blades for Salli this week; if you need any, just write to me.

The children of Max Guthmann are going to Chicago in June. That’s all I know today. Warm greetings and kisses from your Father.

Warm greetings and kisses your Aunt Hilda.

Dear Martin!

This time, your detailed letter gave us great joy and should tell you that the postcard no. 84 did not arrive, but we received letters 85 and 86. I hope your tooth is fine. Hede suffers from the same evil and is glad when it is gone. Father came home satisfied from Frankfurt, since he could speak with Miss Friend.

You were mistaken, regarding an Easter tour; all three of us want to go somewhere in summer, if possible, maybe Uncle Max and Aunt Selma go with us; I said, if then we live privately, we can cook for ourselves in the evening; Levy’s go to Hamburg to accompany the parents and want to see where they can go; they go by car; there they can make detours from Hamburg everywhere. Are you still reading the Frankfurter newspaper? We just got the latest Frankfurter because the other one is too expensive Edge right. Regarding our tenant (s): he is satisfied and very pleasant.

Warm greetings Joh. Kossmann