06-13-1940

Lieber Martin 13.VI. 40

Dein Bf. vom 15. Mai kam nach 3 Wochen also heute vor 8 Tagen an, doch ziemlich rasch, weshalb mich wundere, dass du keine Nachricht von uns bekommst, zumal doch fast wöchentlich per Luftpost schreibe. Wegen der Bürgschaft für uns wird es wohl besser sein, wie du auch schriebst, noch zu warten, bis unsere Nr. aufgerufen wird, damit du dir nicht nochmals unnötige Kosten machst. Du kannst dir auch nochmals der Domsuch? (gemeint ist: Cousine) von Frau Kossmann schreiben und bemühe dich auch hierfür, denn die Frau wüsste doch nicht, wohin und woraus, zumal sie doch nicht zu ihren Kindern und Geschwistern kann. Setze dich hierüber auch mal mit Tante Selma in Verbindung, die doch sehr mit uns allen fühlt. Z.(ur) Z.(eit) kann ja Niemand fort; man hört wohl, über Russland solle es gehen, aber ich habe noch Niemand gehört, der eine Fahrkarte bekommen hat. Mir scheint die ganze Sache noch nicht perfect zu sein.

Gestern waren bei Adolf Guckenheimers, die von ihrem Enkelchen ein Telegramm erhielten, dass sie gut in Chicago ankam. Ihre Adr(esse) ist Liselott Koch bei Sidney Jb. Selig 7325 Constance Ave. – Chicago; vielleicht kannst du sie mal aufsuchen?

Heute kam die Verkaufsgenehmigung meines Hauses, jedoch nur für die Hälfte des vereinbarten Preises, worüber mir grosse Sorgen mache; dies kannst du auch Salomon mitteilen; auch sage ihm, dass wir am 12. VII. Jahrzeit für unseren sel.(igen) Vater haben. Von Onkel Max und Tante Selma habe noch nichts gehört; was mir räthzelhaft

(=rätselhaft) ist, zumal ihnen vor 4-5 Wochen einen Luftpostbrief unter Adresse 2157 Alta Ave. Louisville, Ky schrieb, die doch hoffentlich richtig ist. Wir sind G.(ott) L.(ob) alle gesund und hoffen, dass der Krieg bald zu Ende ist. Grüsse alle Verwandten von mir und sei du herzl. geküsst von d. Vater.

Hast du das Geschenk von Frau Gold bekommen?

Dear Martin,

Your letter of May 15 arrived within three weeks, that is, 8 days ago, so fairly quickly; this makes me wonder why you are not getting any news from us, when I have been writing to you almost weekly via airmail. As to the sponsorship, just as you wrote, it would be better to wait until our numbers come up, lest it cost you unnecessarily once more.

You could also write to the cousin of Mrs Kossmann to take care of her, as the poor woman has no idea where she could go, given that she cannot go to her children or siblings. Get in touch about this with Aunt Selma who has great compassion with all of us. Currently nobody gets out. We hear perhaps it is possible via Russia but I have yet to meet someone who got a ticket to there. It seems to me the whole thing is not yet functioning. Yesterday we visited Adolf Guckenheimer who got a telegram from his granddaughter that she arrived in Chicago safely. Her address is: Liselott Koch bei Sidney Jb. Selig 7325 Constance Ave. – Chicago; perhaps you could go see her? Today I received permission to sell my house, albeit only for half the originally agreed upon price which worries me greatly. Please let Salomon know; also remind him that we’ll have the Jahrzeit for our dear father on June 12. I have not heard from Uncle Max and Aunt Selma yet which is puzzling as I wrote to them 4-5 weeks ago to the address 2157 Alta Ave. Louisville, Ky, which is hopefully correct. Thank God we are all healthy and hope the war will end soon. Greetings to all and warm kisses to you from your father.

Have you received the present from Gold?