10-27-1940

Mein Lieber Martin. 27. X. 40

Deine beiden Briefe vom 8. Und 14. Trafen letzte Woche ein und habe mich mit denselben sehr gefreut. Ich hätte dir gerne früher geschrieben, aber leider war es mir nicht möglich, da ich 12 Tage im Krankenhaus lag. Als ich an Eref Jom Kipur aus der Synagoge nach Hause ging, bekam auf der Strasse einen Ohnmachtsanfall und wurde von da ins Gagern-Krankenhaus verbracht. Ich hatte 225 Blutdruck und der jetzt wieder auf 170 zurückging und zwar nur durch salzlose Kost. Ich fühle mich G.(ott) s.(ei)

D.(ank) heute wieder ganz gesund und kann noch alt dabei werden. Ich wurde 2mal geröntgt und wurden Herz und Lunge für vollständig gesund befunden. Wie du nun siehst, wäre dein Verlobungstag beinahe mein Todestag gewesen; aber, da es doch zum guten ausging, hoffe und wünsche ich Euch beiden, dass der l.(iebe) Gott diesen Tag für euren Glückstag bestimmt hat und Ihr für die Zukunft und für euer ganzes Leben glücklich und zufrieden miteinander vereint seid.

Wie ich ja weiter aus deinem Brief entnahm, bist du dir deiner Pflicht mir und Hede gegenüber voll und ganz bewusst, was ich ja bei dir als braver Sohn noch nie bezweifelt habe; ob wir ja (je?) noch das Glück haben, zu Euch zu kommen, steht noch in weiter Ferne. Wie aus deinen Zeilen entnehmen, muss ja Mitzi ein reizendes Geschöpf sein; denn, wie ich dich ja kenne, fehlt es dir ja nicht an Menschenkenntnis. Ich würde mich sehr freuen, Mitzi sowie ihre Eltern bald kennenzulernen.

Tante Hans ist seit einigen Tagen verreist, wohin, weiß ich nicht und hat auch noch nichts hören lassen weshalb wir alle sehr aufgeregt sind. Von Ruth hatte letzte Woche auch einen sehr schönen Brief, worin sie mir auch von ihrer Verlobung schrieb, mit einem Herrn von Mannheim. Dass Siegfried Levy gestorben ist, tut mi sehr leid, zumal er jetzt seine Bürgschaft hatte und doch bald fort gekonnt hätte. Mit dem Brief von Salomon und Nachmanns habe mich sehr gefreut. Grüsse sie von mir und sage dass Ihnen nächstens schreibe, da es mich heute noch etwas anstrengt. Also, l.(ieber) Martin, grüsse mir deine liebe Mitzi und gib ihr einstweilen einen herzhaften Kuss für mich und sei du noch recht herzl. geküsst von d. Vater.

Grüsse mir ebenfalls deine l(ieeben) Eltern recht herzlich.

My dear Martin,

I received your two letters of the 8th and the 14th last week which made me very happy. I would have liked to write you earlier, but it was not possible, as I was hospitalized. For 12 days. As I was leaving the Synagogue after Erev Yom Kippur, I fainted on the street and was taken to the Gagern hospital. I had a blood pressure of 225 which is now down to 170, due to a diet free of salt. I am healthy again, thank God so I can live long. They did two x-ray tests and my heart and lungs are totally healthy. As you can tell now, your Engagement day became almost the day of my passing; but as it did not, I hope and wish that God consider this day your lucky day and that you will stay happily together for your whole life. As I also learned from your letter, you are fully aware of your duty to me and Hede, which I had never for a second doubted, my good son. Whether we’ll ever be so lucky as to see you again remains further unknown. I guess from your writing that Mitzi must be a wonderful being, as you are very good at figuring out people. I would be so glad to meet Mitzi and her parents soon. Aunt Hans has left a few days ago. Where exactly did she go, we don’t know; we have not heard from her since then which makes us very nervous. Ruth also sent a nice letter last week to let us know about her engagement with a man from Mannheim. That Siegfried Levy has passed away makes me very sad as he had his sponsorship already and could have soon left. I was happy to receive the letter from Salomon and the Nachmann’s. Give my greetings to them and that let them know that I will soon write; it is still a bit tiring for me. Well, dear Martin, greetings to your lovely Mitzi as well – give her a kiss from me and also, warm kisses to you from your father. Also warm greetings to her parents.