03-02-1938

Firmenbriefkopf Nr. 81 Gross-Gerau, den 2. März 1938

Lieber Martin.

Wir haben 14 Tage auf Bf. von dir gewartet und kamen am Sonntag Nr. 79 und 80 zusammen. Du schriebst von dem „Wundermast“. Ich glaube, dass Ferdinand Jacob von Wolfskehlen so was aehnliches eine Zeitlang verkaufte. Ich glaube, dass dies nur als Zusatz und in kleinen Mengen gekauft und verfüttert wird; jedenfalls ist dies reiflich zu überlegen, zumal wie du schreibst, wenn du dir ein Auto kaufen sollst; ob dies für dich auch rentiert. Wenn es ja zum Klappen kommen sollte, so mache den Vertrag nicht, ohne dass Onkel Max dabei ist, da er doch mehr Erfahrung darin hat wie du und sei vorsichtig, dass du dadurch deine Stelle aufgiebst und das andere wäre vielleicht nichts! Im Übrigen bist du ja alt genug und wirst du schon das Richtige wählen; kennst du denn die beiden jungen Leute näher? Und kann man auch Vertrauen zu ihnen haben?

Die genaue Adresse von Rudi habe (ich) nicht; wir bekommen von Heidelberg einliegende Vermählungsanzeige. Im übrigen hat sich Tante Betty bei mir beschwert, dass sie von dir noch kein Lebenszeichen hat und kannst du ihr auch mal schreiben und gratulieren!

Am Samstag war in Bretten und haben sie auch grosse Sorgen um Albert und kam jetzt noch die Sache mit Salli dazu, wodurch Tante Hans und Joseph sehr geschlagen sind.

Mit deinem Gramophon ist´s vorerst nichts, da kein Geld dazu habe.

Am Montag habe angefangen, das Büro auszuräumen und hatte 3 Tage viel Arbeit. Heute kam der kleine Kassenschrank in die Wohnung herein und ist mein Büro jetzt wieder, wo es vor 40/45 Jahren war. Viele Bücher habe ins Magazin getan und die Tische, Schränke und Stühle habe an Fam(ilie) Schreiner Heil für Mk 180 verkauft. Jetzt steht nur noch der grosse Kassenschrank draußen. Ich hoffe, ihn bald verkaufen zu können, da Kaufmanns am 1. April einziehen wollen. Ihr Sohn Erwin war am Montag in Stuttgart und reist am nächsten Montag schon ab nach Nashville, wo sein Onkel Isidor Mai von Darmstadt, früher in Erfelden in Onkel Joseph´s Haus, ist.

Du schriebst, dass du bei Aug(ust) Hirsch warst. Ich schrieb dir schon zweimal, du solltest mir mal schreiben, wie es August H(irsch) geht, da man hier sprach, als wenn er wieder sein altes Leiden am Fuß hätte. Sonst weiß Nichts. Herzl. Gruss und Kuss v.d. Vater.

Lieber Martin! Wir waren etwas beunruhigt, da deine Briefe so lange blieben, man ist über alles mehr erregt und jeder Tag bringt so manches. Gestern war ich in F. (rankfurt) - schon wieder ein guter Freund von mir gestorben. Otto Hirsch, Loris Bruder; er war nur 2 Tage nicht wohl, bekam Herzschlag; ich bin noch ganz aufgelöst, es war wirklich ein alter und guter Freund; in kaum 2 Jahren hat Lori 4 Geschwister verloren; beide Kinder sind in Johannisburg und wollte Otto in 2 Monaten dorthin.

Hede und mir geht es ganz gut, und Hede sieht gut aus, nur schade, dass (sie) keine Gesellschaft hat; wir sind jetzt ganz verlassen, aber Vater will „von in die Stadt ziehen“ noch nichts wissen.

Erna Kramer hat sich, seit Du weg bist, um uns nicht mehr interessiert; aber heute hat jeder mit sich soviel zu tun und an die Landsleute denkt man gar nicht.

Berthel ist seit Samstag wieder in D(üssel)dorf, hat für März noch eine Vertretung und das Geld hat sie noch nötig, dann lernt (sie) noch etwas und hat so manches zu erledigen; sie will auch noch heiraten und die Überfahrt muss der Hilfsverein zahlen. Tante Hilda will auch jetzt englisch lernen, alles, alles geht fort, wir sind die letzten Blede (mundartlich für „Blöde“, „Dumme“), sagt Vater, muss die Plastelstein? zahlen in G.G(erau)

Rechter Rand

Fastnacht soll es in Mainz echt toll gewesen sein; Ruth geht bis Ende des Monats noch in die Schule Herzl. Grüsse v. Joh. Kossmann.

Number 81, Gross Gerau, March 2nd, 1938

Dear Martin,

We have been waiting for a letter from you for 14 days, and on Sunday numbers 79 and 80 arrived together. You wrote about the “Wonder cure”. I believe Ferdinand Jacob of Wolfskehlen used to sell something similar for a while. I think this is meant only as a supplement that will be sold and taken in small amounts; anyway, you should think it over, particularly if you, as you wrote, want to buy a car; whether it is worth at all. If you elect to proceed, do not sign a contract without Uncle Max seeing it first, since he is more experienced than you, and be careful that you do not give up your current job just to find that the other one will not come through. I know you are actually old enough and will choose the right thing. Do you even know the two young people? And can you trust them?

I do not have the exact address of Rudi; we got a wedding announcement enclosed from Heidelberg. Aunt Betty complained that she heard nothing from you so far, so write to her already to congratulate her.

Saturday we went to Bretten; they worry a lot about Albert, and then came also the issue with Salli, which made Aunt Hans and Joseph very depressed.

Nothing new about your gramophone right now, as I have no money.

I began to clear out the office on Monday which cost me a lot of work for 3 days. Today we brought the small safe into the house and so my office is now once more where it used to be 40/45 years ago. I’ve put many books into storage, and the tables, cabinets and chairs were sold to the Schreiner Heil family for 180 Marks. Now it is only the large safe that is still outside. I hope I can soon sell it, for the Kaufmann’s want to move in on April 1. Her son Erwin went to Stuttgart on Monday and next Monday he is already going to Nashville, where his Uncle Isidor Mai of Darmstadt lives; earlier he was in Erfelden, in Uncle Joseph’s house. You wrote that you had seen August Hirsch. I wrote you twice to let me know how he was doing because people told me here he had his old trouble with his feet. Otherwise, there is nothing new. Warm greetings and kisses from your Father.

Dear Martin,

We were a bit anxious as we have not heard from you for so long; these days we get so upset about anything since every day something is happening. I was in Frankfurt yesterday – another good friend of mine has passed away. Otto Hirsch, Lori’s brother; he felt sick for two days, and then suffered a heart attack; I am still terribly sad, he was really an old and good friend. In less than 2 years, Lori lost 4 siblings of hers; both children are in Johannesburg, and Otto wanted to join them in two months.

Hede and I are doing alright and Hede looks good, it is just a pity that she has no company. We are totally lonely, but as of yet, Father does not want to hear anything about “moving to town.”

Erna Kramer did not bother coming to see us since you were gone; but nowadays everybody is so busy with themselves, they do not think of their neighbours.

Berthel is in D(üssel)dorf again since Saturday; she has another replacement for March, since she needs the money, then she has to study a little and so she is rather busy; She also wants to get married and the trip should be paid by the Aid Society. Aunt Hilda also wants to learn English now; we are the last stupid ones to stay, says Father, we have to pay for the pavement in G.G(erau).

Right hand side

The carnival in Mainz was really great they say. Ruth goes to school until the end of this month.

Warm greetings from Joh. Kossmann.